Mittwoch, 16. Oktober 2013

Erzbischof von San Salvador schließt Menschenrechtsbüro 'Tutela Legal'

San Salvador. Am vergangenen 30. September hat der Erzbischof von San Salvador, José Luis Escobar Alas, ohne Vorankündigung das Menschenrechtsbüro ‚Tutela Legal‘ der Erzdiözese geschlossen und alle Angestellten fristlos entlassen.
Das Menschenrechtsbüro wurde 1977, am Vorabend des salvadorianischen Bürgerkrieges, vom damaligen Erzbischof und Volksheiligen Oscar Arnulfo Romero gegründet, um über die Wahrung der Menschenrechte zu wachen und der Bevölkerung, die der staatlichen Repression hilflos ausgeliefert war, rechtlichen Beistand zu leisten. Unter dem Namen ‚Tutela Legal‘ wurde besagtes Büro bald weltweit zu einer Vorzeigeinstitution, die über Jahre hinweg über 50.000 Fälle von Menschenrechtsverletzungen registrierte, archivierte und ermittelte. Noch bis zur Schließung Ende September war ‚Tutela Legal‘ Rechtsvertreterin der Opfer von ‚El Mozote‘, dem blutigsten Massaker in der jüngeren Geschichte Lateinamerikas im Jahr 1981, die bis dato keinerlei Anerkennung vom Staat erhalten haben.
Die Informationspolitik des Erzbistums ist bislang diffus. Unmittelbar nach der Schließung äußerte sich der Würdenträger widersprüchlich. Zunächst erklärte Escobar Alas, das Menschenrechtsbüro hätte „heutzutage keinerlei Daseinsberechtigung mehr“. Bald darauf versicherte er die Institution lediglich modernisieren zu wollen, um wenige Tage später seine Entscheidung mit Korruptions- und Untreuevorwürfen gegenüber dem Personal zu rechtfertigen. Die Polemik verschärfte sich noch durch das kurz zuvor gefällte Urteil des Obersten Gerichtshofes über die Verfassungswidrigkeit des Amnestiegesetzes von 1993, was die Wiederaufnahme von zahlreichen Fällen von Kriegsverbrechen bedeuten könnte.
Am darauffolgenden Sonntag, dem 6. Oktober, versammelten sich vor der Hauptstadtkathedrale mehr als 1000 Menschen und 29 Gruppierungen der Zivilgesellschaft, darunter Studenten, Ordensleute, Opferverbände und Überlebende des Bürgerkrieges, um auf friedliche Weise ihren Unmut über das Vorgehen des Erzbischofs zu äußern und „umarmten“ in einem symbolischen Akt ihre Kirche. Personal des Erzbistums versperrten daraufhin den Zugang zur Krypta der Kathedrale, wo sich das Grab von Erzbischof Romero befindet und wo Vertreter von Basisgemeinden jeden Sonntag in dessen Gedenken Eucharistie feiern. Der Gottesdienst musste abgesagt werden. Die Bevölkerung ließ sich jedoch nicht entmutigen. Wenngleich nicht in der Kirche, so kam das „gekreuzigte Volk“ an jenem Sonntag dennoch zu seiner Kommunion. Draußen in den Straßen des Stadtzentrums feierten, Hand in Hand, Alt und Jung gemeinsam die Gegenwart Jesu Christi des Befreiers.

Hand in Hand "umarmten" sie ihre Kathedrale


"Erzbischof Escobar, kreuzige dein Volk nicht noch einmal!"

Vor laufenden Kameras aus ganz Lateinamerika gaben die jugendlichen Initiatoren eine Pressekonferenz

Weiterführende Links zum Thema (auf spanisch):



- Positionierung und theologische Reflexion des ‘Colectivo Raíces’ (StudentInnen der Maestría en Teología Latinoamericana de la Universidad Centroamericana ‘José Simeón Cañas’ UCA, San Salvador)




- Ausführlicher Artikel der renommierten Onlinezeitung ‘El Faro‘




- Bericht über den friedlichen Protest vor der Kathedrale

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