Oscar Romero, Hirt des gekreuzigten Volkes (1917-1980) |
Romero
nahe zu kommen bedeutet der Geschichte eines Volkes nahezukommen. Es bedeutet
aber zugleich auch sich dem tiefsten Geheimnis des Christseins anzunähern.
Das
war mir so noch nicht bewusst als ich vor gut zwei Jahren zum ersten Mal nach
El Salvador kam, um an der Zentralamerikanischen Universität (UCA) einen Master
in Theologie zu studieren. Gehört hatte ich wohl von diesem außergewöhnlichen
Menschen, der sich als Erzbischof von San Salvador gegen die Gewalt der Reichen
und Mächtigen auf die Seite seines unterdrückten Volkes gestellt und dies bald
mit dem eigenen Leben bezahlt hat.
Vorbei
kommt man an „Monseñor“, wie Oscar Romero von den Menschen hier liebevoll
genannt wird, in El Salvador nicht. Sein Porträt ist allgegenwärtig und sein
Name auch 35 Jahre nach seiner Ermordung noch in aller Munde.
Heute, am 23. Mai wird Oscar Romero in einer pompösen Zeremonie von dem Kurienkardinal Angelo
Amato in San Salvador selig gesprochen. Es ist ein Medienspektakel wie es das
Land noch nicht gesehen hat. Heilig ist Romero für die meisten Salvadorianer
schon längst. Er ist ihr San Romero de América und wenn auch die Amtskirche
heute sein Martyrium, nach langen Kontroversen und machtpolitischen
Verschwörungen endlich anerkennt, ändert das wenig.
Ein
wichtiges Zeichen ist die Seligsprechung dennoch für die abertausend Opfer des salvadorianischen
Bürgerkriegs (1980-1992) und der militärischen Repression. Heute wird ein
jahrzehntelanges Schweigen durchbrochen und die Wahrheit die Romero verkündet
hat, die Ungerechtigkeit die er bekämpft hat und das Leiden das er getröstet
hat werden in der ganzen Welt zu hören sein. Der Titel des „Seligen“ ist den
Menschen in El Salvador nicht wichtig, Wahrheit und Gerechtigkeit sind es.
Wenige
Tage vor seiner Ermordung sagte Romero selbst in einem Interview, dass er,
sollte er getötet werden, im salvadorianischen Volk auferstehen würde. Das mag
zunächst wie eine eloquente Metapher klingen, heldenhaft, pathetisch oder gar
romantisch. Dass sich diese Worte erfüllt haben erschließt sich einem nur aus
der Mitte des Volkes selbst.
In
El Salvador habe ich gelernt, dass ich
wenn ich das Mysterium des Christentums etwas besser begreifen will, den
europäischen „aufgeklärten“ Horizont etwas hinten anstellen und zunächst einmal
auf die Stimme der Armen und Unterdrückten hören muss, denen Romero selbst seine
Stimme lieh und die auch die Hauptadressaten des Evangeliums sind.
Diese
Stimme ist seit dem Mord am Erzbischof keineswegs verstummt. Sie ist auch heute
noch zu hören, in den Protestmärschen gegen die fortschreitende
Umweltzerstörung beispielsweise, in den Frauen- und Menschenrechtsbewegungen,
aber auch in den Klagerufen um die unzähligen Gewaltopfer.
Mag
das Leben vieler Salvadorianer auch heute noch so ausweglos und düster erscheinen
und ihre Stimmen oft ungehört verhallen, Monseñor Oscar Romero schenkt diesen
Menschen Hoffnung. Er ist ihnen Bruder und Hirte. Er ist ihnen nahe. Doch er
ist all das nicht aus sich selbst heraus, er war kein Übermensch, dessen sind
sich die Salvadorianer bewusst.
Das
Licht das durch Romero bis heute in die Abgründe der von Unrecht und Gewalt gezeichneten
Gesellschaft El Salvadors strahlt ist das Licht Jesu Christi, des Erlösers selbst,
der einst für sein Volk am Kreuz starb und am dritten Tage auferstand.
Die
zentrale Botschaft des Evangeliums, das Werk der Liebe und der Gerechtigkeit,
hat Romero authentisch gelebt. Daran, dass Monseñor tatsächlich, und nicht metaphorisch,
im salvadorianischen Volk auferstanden ist und bis heute weiter lebt, habe ich
keinen Zweifel mehr.
Diese
konkrete und so ganz einfache Auferstehungserfahrung bringt mich auch dem
Geheimnis der Auferstehung Jesu näher und, unfähig es letztendlich aufzulösen,
bleibt mir nichts anderes und zugleich nichts Schöneres als diesem Volk Glauben
zu schenken und mit ihm aus der Hoffnung zu leben.
Romero schenkt den Hoffnungslosen Hoffnung |
Die Feier der Seligsprechung auf der "Plaza del Divino Salvador del Mundo" in San Salvador
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Tausende Menschen aus aller Welt sind in diesen Tagen zu den Feierlichkeiten nach San Salvador gereist |