San Salvador. Am vergangenen 30.
September hat der Erzbischof von San Salvador, José Luis Escobar Alas, ohne
Vorankündigung das Menschenrechtsbüro ‚Tutela Legal‘ der Erzdiözese geschlossen
und alle Angestellten fristlos entlassen.
Das Menschenrechtsbüro wurde
1977, am Vorabend des salvadorianischen Bürgerkrieges, vom damaligen Erzbischof
und Volksheiligen Oscar Arnulfo Romero gegründet, um über die Wahrung der Menschenrechte
zu wachen und der Bevölkerung, die der staatlichen Repression hilflos
ausgeliefert war, rechtlichen Beistand zu leisten. Unter dem Namen ‚Tutela
Legal‘ wurde besagtes Büro bald weltweit zu einer Vorzeigeinstitution, die über
Jahre hinweg über 50.000 Fälle von Menschenrechtsverletzungen registrierte,
archivierte und ermittelte. Noch bis zur Schließung Ende September war ‚Tutela
Legal‘ Rechtsvertreterin der Opfer von ‚El Mozote‘, dem blutigsten Massaker in
der jüngeren Geschichte Lateinamerikas im Jahr 1981, die bis dato keinerlei
Anerkennung vom Staat erhalten haben.
Die Informationspolitik des
Erzbistums ist bislang diffus. Unmittelbar nach der Schließung äußerte sich der
Würdenträger widersprüchlich. Zunächst erklärte Escobar Alas, das
Menschenrechtsbüro hätte „heutzutage keinerlei Daseinsberechtigung mehr“. Bald
darauf versicherte er die Institution lediglich modernisieren zu wollen, um
wenige Tage später seine Entscheidung mit Korruptions- und Untreuevorwürfen
gegenüber dem Personal zu rechtfertigen. Die Polemik verschärfte sich noch durch
das kurz zuvor gefällte Urteil des Obersten Gerichtshofes über die
Verfassungswidrigkeit des Amnestiegesetzes von 1993, was die Wiederaufnahme von
zahlreichen Fällen von Kriegsverbrechen bedeuten könnte.
Am darauffolgenden Sonntag, dem 6. Oktober, versammelten
sich vor der Hauptstadtkathedrale mehr als 1000 Menschen und 29 Gruppierungen
der Zivilgesellschaft, darunter Studenten, Ordensleute, Opferverbände und
Überlebende des Bürgerkrieges, um auf friedliche Weise ihren Unmut über das
Vorgehen des Erzbischofs zu äußern und „umarmten“ in einem symbolischen Akt
ihre Kirche. Personal des Erzbistums versperrten daraufhin den Zugang zur
Krypta der Kathedrale, wo sich das Grab von Erzbischof Romero befindet und wo
Vertreter von Basisgemeinden jeden Sonntag in dessen Gedenken Eucharistie
feiern. Der Gottesdienst musste abgesagt werden. Die Bevölkerung ließ sich
jedoch nicht entmutigen. Wenngleich nicht in der Kirche, so kam das „gekreuzigte
Volk“ an jenem Sonntag dennoch zu seiner Kommunion. Draußen in den Straßen des
Stadtzentrums feierten, Hand in Hand, Alt und Jung gemeinsam die Gegenwart Jesu
Christi des Befreiers.
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Hand in Hand "umarmten" sie ihre Kathedrale |
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"Erzbischof Escobar, kreuzige dein Volk nicht noch einmal!" |
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Vor laufenden Kameras aus ganz Lateinamerika gaben die jugendlichen Initiatoren eine Pressekonferenz |
Weiterführende Links zum Thema (auf spanisch):
- Positionierung und theologische Reflexion des ‘Colectivo Raíces’ (StudentInnen
der Maestría en Teología Latinoamericana de la Universidad Centroamericana
‘José Simeón Cañas’ UCA, San Salvador)
- Ausführlicher
Artikel der renommierten Onlinezeitung ‘El Faro‘
- Bericht
über den friedlichen Protest vor der Kathedrale