Samstag, 23. Mai 2015

Zur Seligsprechung des "Heiligen Oscar Romero von América"

Oscar Romero, Hirt des gekreuzigten Volkes (1917-1980)

Romero nahe zu kommen bedeutet der Geschichte eines Volkes nahezukommen. Es bedeutet aber zugleich auch sich dem tiefsten Geheimnis des Christseins anzunähern.

Das war mir so noch nicht bewusst als ich vor gut zwei Jahren zum ersten Mal nach El Salvador kam, um an der Zentralamerikanischen Universität (UCA) einen Master in Theologie zu studieren. Gehört hatte ich wohl von diesem außergewöhnlichen Menschen, der sich als Erzbischof von San Salvador gegen die Gewalt der Reichen und Mächtigen auf die Seite seines unterdrückten Volkes gestellt und dies bald mit dem eigenen Leben bezahlt hat.

Vorbei kommt man an „Monseñor“, wie Oscar Romero von den Menschen hier liebevoll genannt wird, in El Salvador nicht. Sein Porträt ist allgegenwärtig und sein Name auch 35 Jahre nach seiner Ermordung noch in aller Munde.

Heute, am 23. Mai wird Oscar Romero in einer pompösen Zeremonie von dem Kurienkardinal Angelo Amato in San Salvador selig gesprochen. Es ist ein Medienspektakel wie es das Land noch nicht gesehen hat. Heilig ist Romero für die meisten Salvadorianer schon längst. Er ist ihr San Romero de América und wenn auch die Amtskirche heute sein Martyrium, nach langen Kontroversen und machtpolitischen Verschwörungen endlich anerkennt, ändert das wenig.

Ein wichtiges Zeichen ist die Seligsprechung dennoch für die abertausend Opfer des salvadorianischen Bürgerkriegs (1980-1992) und der militärischen Repression. Heute wird ein jahrzehntelanges Schweigen durchbrochen und die Wahrheit die Romero verkündet hat, die Ungerechtigkeit die er bekämpft hat und das Leiden das er getröstet hat werden in der ganzen Welt zu hören sein. Der Titel des „Seligen“ ist den Menschen in El Salvador nicht wichtig, Wahrheit und Gerechtigkeit sind es.

Wenige Tage vor seiner Ermordung sagte Romero selbst in einem Interview, dass er, sollte er getötet werden, im salvadorianischen Volk auferstehen würde. Das mag zunächst wie eine eloquente Metapher klingen, heldenhaft, pathetisch oder gar romantisch. Dass sich diese Worte erfüllt haben erschließt sich einem nur aus der Mitte des Volkes selbst.

In El Salvador habe ich  gelernt, dass ich wenn ich das Mysterium des Christentums etwas besser begreifen will, den europäischen „aufgeklärten“ Horizont etwas hinten anstellen und zunächst einmal auf die Stimme der Armen und Unterdrückten hören muss, denen Romero selbst seine Stimme lieh und die auch die Hauptadressaten des Evangeliums sind.

Diese Stimme ist seit dem Mord am Erzbischof keineswegs verstummt. Sie ist auch heute noch zu hören, in den Protestmärschen gegen die fortschreitende Umweltzerstörung beispielsweise, in den Frauen- und Menschenrechtsbewegungen, aber auch in den Klagerufen um die unzähligen Gewaltopfer.

Mag das Leben vieler Salvadorianer auch heute noch so ausweglos und düster erscheinen und ihre Stimmen oft ungehört verhallen, Monseñor Oscar Romero schenkt diesen Menschen Hoffnung. Er ist ihnen Bruder und Hirte. Er ist ihnen nahe. Doch er ist all das nicht aus sich selbst heraus, er war kein Übermensch, dessen sind sich die Salvadorianer bewusst.

Das Licht das durch Romero bis heute in die Abgründe der von Unrecht und Gewalt gezeichneten Gesellschaft El Salvadors strahlt ist das Licht Jesu Christi, des Erlösers selbst, der einst für sein Volk am Kreuz starb und am dritten Tage auferstand.

Die zentrale Botschaft des Evangeliums, das Werk der Liebe und der Gerechtigkeit, hat Romero authentisch gelebt. Daran, dass Monseñor tatsächlich, und nicht metaphorisch, im salvadorianischen Volk auferstanden ist und bis heute weiter lebt, habe ich keinen Zweifel mehr.

Diese konkrete und so ganz einfache Auferstehungserfahrung bringt mich auch dem Geheimnis der Auferstehung Jesu näher und, unfähig es letztendlich aufzulösen, bleibt mir nichts anderes und zugleich nichts Schöneres als diesem Volk Glauben zu schenken und mit ihm aus der Hoffnung zu leben.

Romero schenkt den Hoffnungslosen Hoffnung

Die Feier der Seligsprechung auf der "Plaza del Divino Salvador del Mundo" in San Salvador

Tausende Menschen aus aller Welt sind in diesen Tagen zu den Feierlichkeiten nach San Salvador gereist