Samstag, 22. Februar 2014

"Die Menschen wollen einfach nur leben" - BZ-INTERVIEW mit Benjamin Schwab über Mittelamerika.

Ettenheim, Sa, 22. Februar 2014
Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung.
von: eri



ETTENHEIM. Der Altdorfer Benjamin Schwab beendet im mittelamerikanischen El Salvador sein Theologiestudium und verbringt gerade seine Semesterferien in Deutschland, wo er Vorträge über die Lebensbedingungen der dortigen Bevölkerung hält. BZ-Mitarbeiterin Erika Sieberts wollte von ihm wissen, was ihn dazu antreibt.
BZ: Welches ist Ihr Anliegen, Vorträge über El Salvador und andere mittelamerikanische Länder zu halten?

Schwab: Ich möchte mein Privileg, in El Salvador studieren und Mittelamerika hautnah kennen lernen zu dürfen, mit anderen teilen und hier über die Lebensbedingungen der Bevölkerung berichten.

BZ: In Ihrem Blog ist zu lesen, dass Mittelamerika eine der gewaltreichsten Regionen der Welt ist, dass Drogenbosse und Menschenhändler das Sagen haben und die Ökosysteme durch Raubbau geschädigt werden. Wie geht es Ihnen dabei?

Schwab: Trotz dieser schlimmen Zustände gelingt es vielen Menschen, ein einigermaßen geregeltes Leben zu führen. Ich zögere zum Beispiel nicht, das öffentliche Transportsystem zu benutzen. Man muss aber wachsam sein. Die Uni und meine Wohngegend werden von den Umtrieben der Kriminellen weitgehend verschont. Gewalt und Verbrechen finden vorwiegend dort statt, wo die Armen wohnen und die Polizei sich nicht mehr hinwagt. Es gibt justizfreie Zonen.

BZ: Wie leben die Menschen in El Salvador?

Schwab: Vielen geht es sehr schlecht. Sie finden keine Lebensgrundlage mehr in ihrem Land und sehen sich gezwungen, es zu verlassen. Die meisten flüchten in Richtung Norden, nach Mexiko oder in die USA. Einer von drei El Salvadorianern lebt dort. Dabei wären die meisten mit wenig materiellem Wohlstand zufrieden. Studien haben ergeben, dass Familie, die Dorfgemeinschaft sowie Frieden und Harmonie für die meisten das wichtigste ist. Sie wollen "einfach nur leben", wie ich auch meinen Vortrag betitle. Doch das ist für viele nicht möglich, weil Ausbeutung und Gewalt das Land beherrschen.

BZ: Woher kommt das?

Schwab: Die Lebenswelt der kleinbäuerlichen Maya wurde durch Militärdiktaturen und den Bürgerkrieg von 1980 bis 1992 zerstört. Das ausbeuterische Weltwirtschaftssystem verschlimmert die Lage. Die Plünderung der Bodenschätze oder Produktionsbedingungen für Kleidung, wie wir sie aus Bangladesch kennen, verschmutzen die Natur und saugen die Menschen aus.

BZ: Und was können wir dagegen tun?

Schwab: Wir hier im Norden müssen unsere Position als Konsumenten nutzen und unser wirtschaftliches Handeln kritisch hinterfragen. Das heißt konkret, nicht unbedingt Ananas kaufen oder Billigklamotten von den Discountern. Wachstum hat Grenzen. Wir sollten nicht uns als Vorbild sehen, sondern fragen: Was können wir von den Menschen dort lernen?

BZ: Und was können wir von ihnen lernen?

Schwab: Für ein gutes Leben ist der indigenen Bevölkerung nicht Geld und Reichtum wichtig. Sie möchte die Erde an sich beschützen und denkt an die, die nach ihnen kommen, über große Zeiträume hinweg – während man in unseren Breiten oft nur das Naheliegende und Wirtschaftliche im Blick hat und zum Beispiel eine Lebensversicherung abschließt.

BZ: Was erwartet die Besucher bei Ihrem Vortrag?

Schwab: Ich werde eine Präsentation mit Bildern zeigen, auf die Geschichte des Landes eingehen und von meinen Begegnungen und Gesprächen berichten. Zu erwarten ist kein länderkundlicher Vortrag, sondern ich werde die aktuelle Situation beleuchten und möchte auch mit den Besuchern diskutieren.

Vortrag von Benjamin Schwab: "einfach nur leben. Mittelamerika im Aufbruch" am Sonntag, 23. Februar, 17.30 Uhr im Edith-Stein Saal, Pfarrzentrum St. Nikolaus, Altdorf. Der Eintritt ist frei, Spenden gehen an ein Bildungsprojekte in El Salvador. Weitere Infos unter http://www.sansalvadoralmundo.blogspot.de
 

 

ZUR PERSON: BENJAMIN SCHWAB

Der 28-Jährige hat Soziale Arbeit und Theologie studiert und einen Master in Internationaler Entwicklung absolviert. Derzeit beendet er sein Theologiestudium über ein Stipendium in El Salvador. Das Fernweh packte ihn seit er nach dem Abitur ein Freiwilligenjahr in Peru verbracht und sozialwissenschaftliche Studien in Indonesien durchgeführt hat. 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen