Donnerstag, 7. Februar 2013

Mit der Linie 22 ins Abenteuer Hauptstadt!

An meinem zweiten Tag in El Salvador, nach viel Schlaf, gutem Essen und bester Gesellschaft war ich wieder hergestellt. Nun konnte mich nichts mehr in den vier Waenden halten und ich musste raus, sehen was hinter dem gut sortierten Supermarkt von San Jacinto (mit deutschem Bier, franzoesischem Rotwein und gluecklicherweise auch ein paar Flipflops) lag. Mario und Norma erklaerten mir gemeinschaftlich und mit hoechster Hingabe den Weg und die Busverbindungen, die ich zum Zentrum nehmen musste. Norma tat es schrecklich leid mich alleine gehen zu lassen beim ersten mal, ich versicherte ihr jedoch, dass ich aufpassen und den Rueckweg gewiss finden wuerde.
So bestieg ich gestern Mittag gegen 12.00 zum ersten mal einen dieser laut heulenden, beruehmten salvadorianischen Microbusse (bunt bemalte, uralte amerikanische Greyhoundbusse) der Linie 22.
Energisch stuerte sich der Fahrer ins dichte Getuemmel der engen Strassen. Positiv ist, dass man sich dem blechernen Koloss recht sicher fuehlt, da kaum ein Gefaehrt auf der Strasse groesser und maechtiger ist. Am Mercado Ex-cuartel stieg ich aus und bahnte mir den Weg durch die geschaeftige Markthalle. Erstes Ziel, Mittagessen. In einer breiten Seitenstrasse hinter der Markthalle entdecke ich einige ausladende Essensstaende deren Sonnensegel und gemuetluiche Tische zum bleiben einladen. Fuer 1,40$ gab es hier genuegend gebratene Kartoffeln mit Reis und Gemuese um satt zu werden und obendrein auch noch sehr lecker. Die freundliche Señora steckte mir noch laechelnd eine frische Mais Tortilla zu. Frisch gestaerkt konnte der Ausflug in den Grossstadtdschungel beginnen. Dschungel ist in der Tat ein passender Begriff fuer das was dann kam. Durch einene enge Gasse voller Verkaufsstaende kam ich schliesslich ins Herz San Salvdors. Die breiten Strassen waren auch hier gesaeumt von Haendlern die alles anboten von Kleidung, ueber Spielzeug hin zu Kuechenutensilien und Elektroartikeln. Jeder Stand hatte sein eigenes Soundsystem aus dem ohrenbetaeubende Musik erklingt, Salsa, Bachata, Reggaeton alles ist dabei. In der Mitte der Fahrbahn schieben sich laut hupend myriaden von Taxis, Pkws, Motorraeder und Kleinlaster aneinander vorbei. Dawischen suchten geschickt Fussgaenger und Polizisten ihren Weg. So etwas hatte ich nicht erwartet. Ich hatte schon einiges gesehen und viele Erfahrungen im lateinamerikanischen Grossstadtverkehr gesammelt, aber verglichen mit dem was ich hier erlebte ist Arequipa eine gemuetliche Kleinstadt und das Treiben in Limas Zentrum recht geordnet. Das erste was mir in den Sinn kam war Chaos, doch auf eine wundersame Weise war all dies keineswegs abschreckend und bedrohlich sondern hatte seinen ganz eigenen Charme. Um nun doch einen Moment Ruhe zu finden betrat ich die maechtige Metropolitan-Kathedrale, ein grosser weisser Bau aus den 1950er Jahren (die alte Kathedrale war bei einem Erdbeben zerstoert worden) mit reich verzierten Fenstern. Ruhe? Fehlanzeige. Kaum hatte ich die kuehle Luft des Gebaeudes dankbar bis in den letzten Winkel meiner Lungen aufgenommen und den Mittelgang des Gotteshauses erreicht war das Sounderlebnis perfekt. Durch die offenen Tueren der Kathedrale drang zu beiden Seiten die laut droehnende Musik der Strasse herein und vermischte sich an dieser Stelle zu einem undefinierbaren Genre. Allein der Kuehle wegen harrte ich doch einige Minuten hier aus. Schliesslich zurueck auf der Strasse hatte ich meine erste Mision zu erfuellen. Ich wollte eine lokale SIM Karte fuer mein Handy kaufen. Ich fragte an diversen Verkaufsstaenden nach, ueberall erklaerte man mir doch, dass man aus sicherheitsgruenden fuer die Registrierung einen Personalausweis vorlegen muesse. Natuerlich hatte ich meinen Reisepass nicht mit ins Zentrum genommen. Ich fand jedoch schliesslich einen Stand direkt gegenueber der Kathedrale wo ein behaebiger Verkaeufer, der ein paar Minuten spaeter ploetzlich nicht mehr der Verkarufer zu sein schien und verschwunden war, mir versicherte, dass er einfach seine Ausweisnummer angeben konnte. Gut. Naechstes Problem war nun, dass mein Handy konfigueriert werden musste fuer das lokale Netz, denn T-Mobile gibts hier nun mal nicht.. Leichter gesagt als getan, meine eigenen Programmierfaehigkeiten was Handys angeht sind eher beschraenkt und der "neue" Verkaeufer verstand leider weder deutsch, noch niederlaendisch, franzoesisch, englisch oder tuerkisch, die Sprachen die mein Handy aber sprach. Auch das kein Problem, einen Anruf und 5 Minuten spaeter die Nachricht, gleich wuerde einer kommen und mein Handy innerhalb von einer halben Stunde und fuer 10$ konfiguerieren. Gluecklicherweise besitze ich kein besonders wertvolles Modell, so dass ich es getrost aus der Hand gab. Ausserdem machten die Jungs am Stand einen netten Eindruck und fragten mich am laufenden Band ueber Deutschland aus. Als ich dann fragte ob denn dieser andere, der kam, Englisch koenne um den Apparat zu verstehen lachten sie nur laut. "Wir sind die Mafia des Handys, wir koennen alles!" Gesagt getan, knapp 40 Minuten spaeter bekam ich mein Handy umkonfigueriert, mit neuer SIM, 2$ Guthaben und einem freundlichen Laecheln zurueck. :)
Nun war ich bereits spaet dran, wollte ich doch um 3 zuhause sein, da Norma mit Lorien zum Arzt musste. Ich spurtete also zurueck durch den Verkaufsdschungel zum Mercado und schwang mich auf einen der Blechriesen der Linie 22 zurueck ins ruhigere San Jacinto. 10 nach 3 zuhause war ich natuerlich nicht zu spaet, "hora latina", lateinamerikanische Zeit, wie Norma lachte und erst eine Stunde spaeter ging. Vom Grossstadtabenteuer hungrig geworen machte ich mich gegen spaeter auf die Suche nach etwas essbarem. Immernoch begeistert vom Konzept der "pupusas" entschied ich mich fuer eine weitere "Pupusería" in der Calle México bei uns um die Ecke. Ich verdrueckte genuesslich drei pupusas de queso mit Tabasco Sosse und Salat, stets unter den neugierigen Blicken der jungendlichen Pupuseros im Eingang. Herrlich. Bevor ich bezahlt hatte und das Lokal verlassen konnte, war ein fuelliger junger Mann dem Maedchen an der Grillplatte einen verstohlenen Blick zu. "Frag ihn doch!" Das Maedchen wandte sich mir zu und fragte etwas verlegen, ob ich ihr bei einer Englischhausaufgabe helfen koenne. Der Klassiker! Mit gespielter Ueberraschung fragte ich, wie sie denn auf die Idee kaeme, dass ich Englisch spreche. Um mich herum brach schallendes Gelaechter aus. Klar, eien Auslaender wie ich offensichtlich einer war, muesse doch Emglisch koennen. Ich lachte mit und da ich nicth in Eile war und eine nette Runde zusammengekommen war willigte ich ein. Nach 5 Minuten war der doch recht leichte Lueckentext gemeinsam ausgefuellt und ich wurde entlassen.
Fuer heute, Donnerstag hatte ich geplant zum ersten mal zu meiner neuen Uni zu fahren und bereits der Koordinatorin meines Masterprogramms Bescheid gegeben, dass ich sie heute in ihrem Buero aufsuchen wuerde. Allerdings wollte auch dieser Ausflug gut geplant sein. Die Universidad Centroamericana liegt in einem anderen Teil der Stadt und mit dem Microbus ist man inklusive umsteigen im Zentrum sicher eine Stunde unterwegs. Hinzu kam, dass Mario und Norma heute mit Lorien ins Krankenhaus mussten, da ein kleiner operativer Eingriff an ihren Ohren anstand. Die kleine hatte bereits seit laengerem Beschwerden und seit ca. 2 Wochen hat ihr Hoervermoegen sehr stark nachgelassen. Es war nur ein kleiner ambulanter Eingriff, dennoch waren verstaendlicherweise alle sehr besorgt und ich wollte zu Hause warten bis sie wieder kaemen. Gegen Mittag waren sie schliesslich zurueck, Lorien hatte ihre Narkose ausgeschlafen und alles war Gott sei dank gut verlaufen. Sie war bereits wieder putzmunter und konnte auch schon wieder deutlich besser hoeren. Nach dem Mittagessen war Norma noch sehr beschaeftigt, ja morgen der juengste Sproessling der Familie zur Welt kommen soll und Mario war noch bei der Arbeit. Also machte ich mich in der Kueche etwas nuetzlich, da bei so viel Umtrieb das Geschirr schon mal auf der Strecke bleiben kann. Lorien war schon wieder so fit, dass sie mir tatkraeftig half. Wir hatten so grossen Spass mit Schwamm und Wasser, dass wir Stueck fuer Stueck die ganze Kueche auf hochglanz polierten. So verbrachte ich den Mittag lachend und planschend mit Lori und rief kurzerhand meiner Professorin an der Uni an, die dafuer natuerlich vollstes Verstaendnis hatte... Mañana eben!
Heute Nachmittag und Abend wird wohl noch einiges los sein im Haus, da auch Cousinen, Gossmuetter, Onkels und Tanten mit Lorien mitgefiebert hatten und sich alle auf die Geburt des Babys freuen. Morgen were ich mich dann wohl vermutlich auch auf den langen Weg zur UCA machen, wer weiss... und dann aber ganz sicher auch davon berichten.
Tja Latinoamerica hat mich also wieder, die deutsche Puenktlichkeit und Strukturiertheit, die ich mir mittlerweile so muehsam wieder angeeignet hatte werde ich schnellstens wieder ablegen und jeden Tag so nehmen wie er eben kommt. Mit Vergnuegen!


 
 Meine wunderbare Gastfamilie!
 
 
 

 Meine erste "Pupusa"
 

Mein vorlaeufiges Zuhause, ein sonniger Ort :) 



 Um die Ecke im Barrio San Jacinto

Beim froehlichen Kueche schrubben mit Lorien

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